Da steht du nun mit deiner Entscheidung, gestern hat sich noch alles stimmig und richtig angefühlt. Du warst dir absolut sicher, dein Bauch hat dir ein klares „JA“ signalisiert und dein Herz hat einen kleinen Sprung gemacht. Und heute kam der Gegenwind. Du beginnst an deiner Entscheidung zu zweifeln, sie zu hinterfragen.
„Hallo Gedankenkarussell, ich habe dich so gar nicht vermisst.“
Ich will Harmonie, und zwar sofort!
Nicht alle sind zufrieden mit deiner Entscheidung. Müssen sie auch nicht. Denn es geht um dein Empfinden, das hat erst einmal nichts mit richtig oder falsch zu tun. Menschen entscheiden sich angeblich zwischen 20.000 und 100.000 Mal pro Tag (wer zählt so etwas?). Wir entscheiden welche Entscheidungen wichtig sind und welche nicht. Dennoch kann die, scheinbar unwichtige, Entscheidung, einen Bus später zu nehmen, dein ganzes zukünftiges Leben beeinflussen, da du sonst nie deinen Lebenspartner kennengelernt hättest.
„Es gibt keine falschen Entscheidungen, nur die, die du trifft.“
sensibelSTARK
Schwierig wird es bei Entscheidungen, die ganz offensichtlich dein zukünftiges Leben beeinflussen: „Kündigen oder aushalten?“, „Kinder, ja oder nein?“, „Trennung oder dem Partner noch eine Chance geben?“, „In eine andere Stadt ziehen oder bleiben?“, „Konflikte austragen oder aussitzen?“. Als ob es nicht schon schwierig genug wäre sich zu einer Entscheidung durchzuringen, wollen auch nahestehende Menschen berücksichtigt werden.
Da ist der gute Freund, der einen schon jahrelang kennt, die Mutter, die sich immer noch Sorgen ums erwachsene Kind macht, der wohl gemeinte Rat von Kollegen und der des Partners, der ja schließlich auch eingebunden werden will.
Und wem es immer noch nicht reicht, der spricht mit dem gesamten Freundeskreis, dem Pfarrer, dem Psychologen, einem Lebensberater und mit ein paar entfernten Bekannten. Und da sitzt du nun, vollkommen verwirrt, denn jeder hat plausible Argumente und alles hat sich irgendwie richtig angehört. Spätestens jetzt mischt sich deine innere Stimme ein.
Mit den gesammelten Erfahrungen, ein paar Glaubenssätze und deinem innerer Kritiker bricht ein Gewitter im Hirn los. „Das schaffst du sowieso nicht.“, „Am Ende steht du noch alleine da.“, „Du warst schon immer eine bittere Enttäuschung.“, „Du musst immer durchhalten.“, „Das Leben ist ein Kampf.“ und du fragst dich: „Hat denn irgendjemand je etwas ermunterndes zu mir gesagt?“.
Der Grund warum dir vielleicht gerade nichts motivierendes einfällt, ist die Angst vor den unbekannten Konsequenzen. Da wäre es doch ideal wenn dir jemand die Entscheidung abnimmt, denn so bist du fein raus. Wenn es denn so einfach wäre, denn die Antwort steckt bereits in dir.
Fluch und Segen der Empathie
Natürlich soll diese Antwort keine Basis für einsame Entscheidungen und rücksichtslose Egotrips sein. Wenn eine Entscheidung auch andere betrifft, solltest du deine Gabe der Empathie wohl bedacht und dosiert einsetzen. Möglicherweise besteht eine Alternative, an die du bisher noch gar nicht gedacht hast oder Missverständnisse können geklärt werden. Gehe achtsam mit deinen eigenen Empfindungen um. Wenn das Verständnis für andere Menschen deine Empfindungen überlagert kann es zu faule Kompromisse kommen, obwohl eine klare Entscheidung längst überfällig wäre.
Sensible und hochsensible Menschen wägen besonders lange ab, ehe sie weitreichende Entscheidungen fällen. Aber die Tendenz zur Harmonie und Perfektion ist eng mit Wunsch nach der idealen Entscheidung verknüpft. Jeder soll seinen Nutzen draus ziehen und alles wird gut. Idealerweise funktioniert das auch, in der Realität können Entscheidungen jedoch zu Konflikten führen.
Ein hohes Einfühlungsvermögen mit dem Wunsch es jedem recht zu machen führt unter Umständen zu halbherzigen Entscheidungen, wenn sie einem nicht sogar vorher abgenommen werden.
Die Sache mit der Energie
Eine nichtgetroffen Entscheidung raubt Energie. Nicht ernst gemeinte Kompromisse aber auch. Hat deine Entscheidung Hand und Fuß oder ist es ein Kompromiss, den du aus der Angst heraus eingegangen bist? Enttäuschung, Wut, Verärgerung und üble Nachrede können für Harmonieliebende schwer zu ertragen sein.
„Unterdrückte Energie verbraucht Energie!“
Helga Schäferling
Besinne dich auf deine Wünsche, deine Werte und deinen Weg. Ziehe dich zurück und entscheide dich, klar und ohne wenn und aber. Bleib bei deinem Standpunkt, eine klare Entscheidung führt zu neuem Wachstum und innerem Frieden. Manchmal entstehen Dialoge, die vorher nicht möglich gewesen wären. Vor allem gewinnst du aber an Kontur und wirst für andere sichtbar.
Der Glaube an etwas Übergeordnetes
Der Glaube kann Berge versetzen und gleichzeitig Entscheidungshilfe sein. So liefern bestehende Systeme Halt und Orientierung. Religiöse Menschen glauben an einen Gott der alles lenkt: Egal wie sie entscheiden, Gott hat einen Plan und hält seine schützenden Hände über sie. Humanisten verneinen die Existenz von Göttern oder Geisterwesen. Eine vernunftorientierte Ethik und die Erkenntnisse der Naturwissenschaft bieten dennoch eine gesicherte Weltanschauung.
Je unübersichtlicher die Welt und damit auch das Leben wird, desto größer der Wunsch nach überschaubaren Systemen und festen, beständigen Werten, die den Entscheidungsraum verkleinern.
„Würden alle voller Würde handeln, würde sich die Welt verwandeln.“
sensibelSTARK
Hinzu kommen eigene, innere, Werte, deine Würde. In deiner Würde ist verankert, was du bereit bist zu tun und was nicht. Wie steht es um deine Würde? Bist du dir dessen bewusst? Wie weit würdest du gehen um etwas in deinem Leben bestehen zu lassen und wann ist der Zeitpunkt gekommen eine alles verändernde Entscheidung zu treffen?
Keine Entscheidung ist für immer
Endlich ist die wichtige Entscheidung getroffen, ein befreiendes Gefühl. Vielleicht verändert sich alles, zum Guten oder zum Schlechten, diese Bewertung hängt auch von deiner Persönlichkeitsstruktur ab. Egal welche Konsequenzen sie nach sich zieht, du hast die Chance auf Entwicklung wahrgenommen. Dein Horizont hat sich geweitet und deine Lebensgeschichte wurde um ein Kapitel bereichert. Im Idealfall nimmt dein Leben wieder Fahrt auf und du trittst nicht mehr auf der Stelle.
Eins ist jedoch sicher, es wird nicht die letzte Möglichkeit gewesen sein, sich zu entscheiden, denn eine Entscheidung führt zur nächsten.
Ja, Entscheidungen treffen wir zigtausend Male am Tag, große und kleine Entscheidungen. Morgens im Bad, welchen Duft nehme ich, welchen Pulli ziehe ich an, welche Route gebe ich ein, wann fahre ich los, Kaffee oder Tee? Das sind nur ein paar „Frühmorgens-Entscheidungen“!
Bei diesen „kleinen Fragen“ fällt das Entscheiden natürlich einfacher, als bei den richtig großen, wegweisenden Entscheidungen… wie oben geschrieben: Kind, ja oder nein; Trennung, ja oder nein; Jobwechsel, ja oder nein?
Gerade als Hochsensible geht man im Gehirn so viele Wege durch, so viele Abzweigungen, so viele Hindernisse, so viele Möglichkeiten, so dass eine schwere Grundsatzfrage zu zigtausenden von Nebenfragen führt und ein Gedankenkarussell entsteht, das sich so schnell und erbarmungslos dreht, dass es einem im wahrsten Sinne des Wortes die Luft zum Atmen geschweige denn zum Denken nimmt.
Fast atemlos und oftmals am Rande der „Denkerschöpfung“ wird dann eine Entscheidung getroffen (und 100 Prozent sicher ist man dann auch nicht), aber erstmal ist der Würfel bei dieser einen Frage gefallen und das hochsensible Gehirn kommt endlich zu einer Ruhepause. Die Frage bleibt, wie lang hält diese Ruhepause an?
Es stimmt, die Entscheidung ist womöglich nicht für immer, man kann auch immer wieder anders (außer bei sehr endgültigen Entscheidungen) und das Procedere fängt wieder von vorne an.
Ich bewundere Menschen, die sofort wissen, was für sie richtig ist. Vielleicht sollte man wirklich sagen, dass das erste Gefühl oder der erste Gedanke zählt…
Denn, wenn man erstmal das Denken anfängt, das hochsensible Denken, dann kann es länger dauern… lang dauern, was dann aber auch wieder vorteilhaft sein kann. :-)))
Was richtig ist oder nicht, ist schwer zu deuten, aber es stimmt mit absoluter Sicherheit, wie oben geschrieben, die nächste Entscheidung auf die Entscheidung wird folgen. 😉