Heute morgen traf ich in den sozialen Netzwerken auf eine alte Freundin. Sie sah mich zusammen mit Hermann Scherer von einem Foto an. Meine Freundin hatte eines dieser „Powerseminare“ besucht und lächelte danach stolz in die Kamera. Das Foto wurde auf einer Yacht aufgenommen: meine Freundin, Scherer und ein Glas Champagner vor der nächtlichen Kulisse New Yorks. Unwillkürlich musste ich an Greta Thunberg denken. Auch sie ist im Moment in New York, dafür ist sie tagelang über das Meer gesegelt. Greta wurde kritisiert, weil ja doch nicht alles so öko war wie man das von einer wie ihr erwartetet hätte. Meine Freundin und vielleicht viele andere sind von Deutschland nach New York geflogen und ließen den Workshop auf einer Motoryacht ausklingen. Ich habe das Foto nicht geliked, aber viele andere, die den Aufwand vollkommen o.k. fanden.
Ich gebe zu, im ersten Moment war ich neugierig und beeindruckt. Ich dachte sie hätte einen Preis verliehen bekommen, was ich ihr sehr gegönnt hätte. Dann war ich enttäuscht, weil es nicht so war. Meine Freundin, eine charismatische, selbstständige, attraktive und eloquente Frau im Windschatten eines Mannes, der scheinbar weit erfolgreicher ist. Ein Gefühl der Ablehnung und Übelkeit stieg in mir auf.
Ich habe mir Mühe gegeben. Wirklich bemüht habe ich mich. Mein ganzes Leben lang habe ich mich bemüht mir einzureden, dass ich allen Menschen den Erfolg von Herzen gönne. Und das tut ich auch. Was mir aber noch nie gelungen ist, ist diese Gefühle massiver Ablehnung, Gereiztheit und Müdigkeit abzustellen. Der Überdruss denen zuzuhören, die ihren Lebensunterhalt damit verdienen anderen zu sagen was sie zu tun haben und wie sie sich verändern müssen um ihnen zu gleichen. Und das Verständnis für die, die dem ehrfürchtig folgen.
Und dann erscheinen plötzlich junge Menschen wie Greta Thunberg, die aus einem inneren Bedürfnis ihre eigene Überzeugung nach außen tragen. Sie haben das große Talent nicht sich selbst in den Mittelpunkt zu stellen, sondern das Wohl aller. Sie denken über eine neue Gesellschaft nach und halten nicht an eingeschliffenen Mustern fest. Junge Menschen, die es schaffen, nicht nur Mechanismen vorzubeten, sondern Individuen, die ein Gefühl für ihre Umwelt haben, deren Herzen für größere Dinge schlagen. Pioniere, die sich nicht selbst applaudieren müssen, mit Vorhaben, weit größer als das eigene Ego. Ich habe Hoffnung, denn ihnen sagt kein Speaker wie sie handeln sollen, sie machen es einfach, indem sie sich selbst überwinden.
Einfach so.
Ich kann dieser Meinung nur zustimmen, obwohl ich versuche, meine Ablehnung für diese Art des Coachens, der sogenannten Powerdays und Seminare nicht zu drastisch darzustellen. Das könnte jetzt leicht aus mir herausfließen. Es liegt auch ein großes Unverständnis meinerseits vor, wenn ich die ansteigende Anzahl an Angeboten der sogenannten Powercoaches sehe, die einem Erfolg, Gesundheit und Geld versprechen. Dafür muss man Anker setzen (wird im Seminar angeleitet) und sich wie ein Mantra jeden Morgen sagen: Ich bin glücklich, ich bin glücklich, ich bin glücklich… Für dieses Versprechen darf man dann mehrere tausend Euro ausgeben, weil die Seminare immer aufeinander aufbauen und „abhängig machen“. Ich habe eine Doku in der ARD gesehen, wo ich erschreckend miterleben durfte, wie das System funktioniert und wie es von den Menschen angenommen wird. Es gibt einen Riesenmarkt dafür. Die Leute sehnen sich anscheinend danach, einem Speaker vorne auf der Bühne zuzuhören, mit den Händen zu klatschen und jubilierend die Arme hochzureißen, um danach zu sagen: „Mein Leben hat sich totaaaal verändert! Tschakka!“ Ich wäre als Hochsensible wahrscheinlich nach einer Minute schreiend rausgerannt ;-);-);-)
Auf der anderen Seite ist es so schön und wohltuend zu beobachten, dass sich junge Menschen aufmachen, unsere doch so fantastische Welt zu retten (und ja, ich möchte sie immer noch so sehen). Diese „PowerJugendlichen“ fliegen nicht mehr, nutzen öffentliche Verkehrsmittel und ernähren sich vegan. Ich applaudiere diesen jungen Menschen zu und habe den höchsten Respekt vor ihnen. Diese Menschen leiten mich an, sie bringen mich zum Nachdenken. Sie lassen meine Lebensart überdenken und ich habe gerade letztes Jahr noch mehr auf das Auto verzichtet. Die Coronazeit hat vieles verändert und statt öffentliche Verkehrsmittel zu nehmen, haben viele Menschen wieder das Auto bevorzugt. Was auch verständlich war und ist… aber wir dürfen nicht bei all der Corona-Diskussion die Umwelt und den Klimaschutz vergessen und bei all den Milliardenhilfen seitens der Bundesregierung diesen Aspekt nicht vernachlässigen. Die ersten Ansätze sind gemacht (das milliardenschwere Hilfspaket steht) und man merkt, dass langsam (ganz langsam) ein Umdenken stattfindet.
Wir brauchen keine „erfolgreichen“ Menschen, die den Erfolg und das Geld an sich reißen, sondern respektvolle, vorausschauende Menschen im Einklang mit der Natur und mit sich selbst. Danke @gretathunberg und an alle, die sich auf diesen Weg machen.
Sehr schön formuliert, danke! 🙂 Manchmal muss man drastische Worte finden um verstanden zu werden. 😉